Der Esel und die Feuerkünstlerin

oder: Petra und Barbara und die Steuerberater

Erfunden auf dem Schulhof der Grundschule Alter Markt in Hildesheim am 25.07.2021

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Der Esel und die Feuerkünstlerin

Erster Akt

Der Esel Petra-Benjamin ist 12 Jahre alt, also eher jung. Auf Menschen umgerechnet wäre er Anfang 30. Er hat Migrationshintergrund, seine Familie kommt aus Südtirol. Deswegen hat er auch den für Sizilien ungewöhnlichen Namen. Er ist kurzsichtig und liest gern Geschichten. Petra-Benjamin lebt in einem Theater in Sizilien – es ist ein Amphitheater. Die Geschichte beginnt an einem Freitag Mittag im Frühling 1921.

Der Esel befindet sich gerade bei den Brezeln. Eigentlich wäre Barbara in der Nähe – Barbara Walther, ein Mensch – ist sie aber nicht. Barbara ist 10 Jahre alt, sie verkauft eigentlich die Brezeln. Petra-Benjamin sucht sie.

Petra-Benjamin kann hellsehen und versucht nun, auf diese Gabe zuzugreifen, um Barbara ausfindig zu machen. Dazu braucht der Esel die Brezeln. Denn durch das Kauen kommt Petra-Benjamin in einen meditativen Zustand und kann dann "empfangen". Allerdings braucht der Esel eine zweite Brezel, um durchzugucken, und eine Person (z.B. Barbara), die die Brezel hält. Aber die ist ja gerade nicht da...

Die Proben beginnen. Ein Wandertheater probt »Die Hochzeit des Figaro«. Es sind 30 Personen, alles Männer, und kommen ebenfalls aus Süd-Tirol. Die Häfte kennt den Esel, die andere Hälfte nicht. Es gibt keine Hierarchie, es ist eine Kooperative. Der Probenprozess besteht im Augenblick noch aus Diskussionen. Sie wollen sich auf die hellseherischen Fähigkeiten Petra-Benjamins verlassen, um zu wissen, was sie proben sollen. Und sie diskutieren, wer die Frau spielt.

Barbara hat sich in der Frauen-Garderobe versteckt, weil sie schüchtern ist. Sie hat Angst, dass sie den Feuerschlucker Otto vertreten muss, der schon 88 Jahre alt ist. Sie kann Feuerschlucken nämlich ziemlich gut, weil sie es hobbyhalber mal gelernt hat. Otto arbeitet für gewöhnlich nicht im Theater, sondern gehört zum Wandertheater, und er hatte vor zwei Stunden einen Schwächeanfall. Er befindet sich nun im Weltall, so mental. Er dachte, die Werkwoche wäre vorbei, gab sich zuviel Feuerwasser, daher der Schwächeanfall. Er fühlt sich schwerelos. Tatsächlich befindet er sich auf einer Liege in der Männergarderobe im Baumhaus. Durch die Schwerelosigkeit war er problemlos hinaufgekommen.

Barbara möchte nicht auf die Bühne, weil sie fürchtet, dort gesehen zu werden, denn sie ist auf der Flucht, und zwar ausgerechnet vor der Theatergruppe. Die 30 sind nämlich Laiendarsteller, die im Hauptberuf 30 Steuerberater sind. Sie selbst ist nämlich eine geheime Prinzessin und hat richtig viel Knete zu Hause, was in Sizilien niemand weiß. Ihr geheimes Prinzessinnenreich befindet sich in Atlantis. Geheim, weil sie nie eine Krone trägt. Das ist nicht das Atlantis, das in irgendwelchen anderen Geschichten vorkommt. Es ist ein anderes und es ist eine Steueroase. Sie befindet sich irgendwo im Atlantik, 20m unter dem Meeresboden.

Otto hatte der Steuerberater-Truppe den Tipp gegeben, das Barabara die geheime Prinzessin sei. Er ist nämlich ihr Großvater. Er hat es aber nicht absichtlich ausgeplaudert, er hatte im Schlaf geredet. Die Steuerberater wussten schon, dass mit Barbara etwas komisch ist, denn dafür dass sie Brezeln in Sizilien verkauft, war sie auffällig blass. Eher wie jemand, der unter dem Meeresboden in einer Steueroase lebt...

Seinen Schwächeanfall hatte Otto nur vorgetäuscht. Er wollte nix Schlimmes, bloß, dass Barbara auf die Bühne geht, sodass die anderen 29 dann nicht mitspielen müssen, und mit Taucheranzug und Sauerstoffflasche unter den Meeresgrund tauchen und in Atlantis die Krone wegnehmen. Kann aber auch ein Ablenkungsmanöver gewesen sein. Otto will jedenfalls dringend, dass Barbara mal auf die Bühne geht und was Vernünftiges macht.

Petra-Benjamin schnappt sich eine Brezel und geht los, Barbara zu suchen. Er meldet sich dafür bei den Theaterleuten als weibliche Hauptrolle. Sein Plan ist, dass er so tut, als gehöre es zur Rolle, dass er durch die Brezel hellsieht. Die Theatergruppe lehnt aber ab. Es hat aber auch nur die Häfte mitbekommen, und zwar genau die 15, die den Esel nicht kennen. Die andere Hälfte bekommt es dann doch noch mit und findet die Idee gut. Sie wollen über den Esel an Barbara herankommen. Denn der hängt ja immer bei ihr rum...

Otto hält schließlich die Brezel, damit Petra-Benjamin hellsehen kann. Es funktioniert! Jetzt weiß Petra-Benjamin, dass die Steuerberater hinter Barbara her sind. Seine Phantasie: Barbara könnte berühmt werden, aus dem Prinzessinnenreich rauskommen, ein normaleres Leben führen, den Esel heiraten. Er hätte dann immer Zugang zu vielen Brezeln.

In Wahrheit ist der Esel verzaubert. Er war eigentlich die Leibwache der Prinzessin. Barbara weiß nicht, dass der Esel Petra-Benjamin ihre ehemalige Leibwache ist. Obwohl sie ja miteinander sprechen und sie auch weiß, wie der Esel heißt. Nämlich genau so wie die Leibwache: Petra-Benjamin. Naja, sie ahnt etwas, aber...

Otto kriegt Taubenscheiße auf den Kopf und lässt die Brezel fallen. Aber Petra-Benjamin weiß jetzt, was die Steuerberater vorhaben: unter dem Atlantik nach dem Schloss tauchen und es ausrauben. Und er hat gesehen, dass Barbara in der Frauen-Garderobe in der benachbarten Theaterschule ist.

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Petra und Barbara und die Steuerberater

Zweiter Akt

Der Esel muss das Mädchen und das Prinzessinnenreich retten. Er kann aber nicht einfach zur Garderobe gehen, dann würden ja alle Steuerberater mitgehen. Es muss also heimlich geschehen.

Da erzählt Petra-Benjamin den Steuerberatern eine Geschichte. Eine Geschichte von einer Bibliothek. Teil der Geschichte ist das Vorlesen aller Buchtitel. Alle Steuerberater schlafen ein.

Barbara findet in einer Truhe in der Frauengarderobe Zubehör fürs Feuerschlucken und übt dort. Petra-Benjamin geht zur Garderobe. Er öffnet die Tür, drinnen ist ein lautes Geräusch vom Feuerschlucken, und die Tür quietscht. Dadurch wacht einer der Steuerberater auf. Er rennt direkt schnell hin und will Barbara packen. Barbara bildet ein Feuerrad um die Person, diese ist darin gefangen. In diesem Moment springt Barbara auf den Rücken des Esels, sie rennen los und entkommen aus dieser blöden Situation.

Sie kommen an einen Strand. Unterwegs war Petra-Benjamin über einen Mann gestolpert. Der Esel beginnt über das Wasser zu laufen; das kann er, er ist ja verzaubert. Sie kommen zu einem Schiff, einem Kanu. Darin wartet Barbaras Oma, die Frau von Otto. Sie wartet auf irgendwas und freut sich auf einen Besuch. Sie hat glücklicherweise gerade Tee und Kekse da. Zauberkekse.

Beim Essen der Zauberkekse würde sich der verzauberte Esel zurückverwandeln, wenn es schiefgeht, in einen Haifisch. Gerade auch bei Kontakt mit Wasser. Die Oma hat sie gebacken: Mit Zauberflüssigkeit bestehend aus Rosinen und Artischocken, Feenstaub, Feuerwasser.

Da steigen Luftblasen auf, die tauchenden Steuerberater kommen. Petra-Benjamin und Barbara essen von den Zauberkeksen. Petra-Benjamin wird ein Haifisch. Es ist also schiefgegangen. Aber es ist andererseits super-praktisch, als die Steuerberater kommen, einen Haifisch dabei zu haben. Auf Barbara haben die Kekse keinen Einfluss.

Der Haifisch Petra-Benjamin greift die Steuerberater an. Das ist so furchterregend, dass sie alle zurück nach Südtirol schwimmen. Petra-Banjamin ist als Haifisch schnell, nicht alle können entkommen.

Es gibt aber ein Happy End: der Hai kommt wieder zurück und es sind noch Kekse übrig. Die Oma gibt ihm einen Keks und damit verwandelt er sich endlich zurück in einen Menschen. Und wie im richtigen Leben heiratet die Prinzessin ihren Leibwächter.

Da wacht Petra-Benjamin auf und es war alles nur ein Traum. Er setzt sich an seine Steuererklärung und schreibt weiter. Abends beim Zähneputzen schaut er in den Spiegel und denkt: »was bin ich nur für ein Esel gewesen«.

Kommentar:
Weder die Gruppe, noch die Spielleitung haben thematisiert (nicht bemerkt?), dass Steuerberater keine Steuerfahnder sind. Barbara auch nicht. Sonst hätte sie ja gar nicht weglaufen müssen. So ist es ja häufig bei Alpträumen. Du rennst panisch weg vor Steuerberatern, obwohl sie es doch sind, die dir helfen könnten... :-)

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Wimmelbild

Bild: Ines Glawe

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