Hunger am Nordpol

Erfunden vor der Zehntscheune in Freden am 21.08.2021

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Hunger am Nordpol

Erster Akt

An einem Sommerabend 1980 sitzt der 20 jährige Adolf Globus auf einer Bank unter einer knorrigen Eiche in einem Garten namens Portugal am Nordpol. Es ist der Wintergarten seiner Oma Elfriede Kümmerlich, 84 Jahre alt, die gerade im Iglu nebenan Milchreis kocht. Der Wintergarten hat eine Grundfläche von nur einem Quadratmeter, ist aber 3 m hoch. Es ist dort 35 Grad warm, regnet eine bisschen, die Sonne scheint aber bereits wieder und es gibt einen Regenbogen. Alles im Wintergarten.

Gepflanzt wurde die Eiche von Großvater Gustav Kümmerlich; er war 1950 an einer Krankheit namens Corona verstorben. Die Eiche hatte er 1968 posthum als Geist bzw. reinkarniert gepflanzt und das kam so: Die Oma war nicht mit seinem Tod klargekommen und hatte Gustav in der Gefriertruhe in ihrem Iglu eingefroren. Gustav hatte schon mehrere Leben hinter sich. In einem früheren war er eine Giraffe am Nordpol gewesen und hatte Hunger und sich einen Baum imaginiert, dessen Blätter er fressen konnte – einen Giraffenbaum. Aber da so etwas am Nordpol nicht wächst, war aus dem Giraffenbaum in seiner Vorstellung eine Eiche geworden und er hatte sie sich genau an der Stelle imaginiert, an der sich, in seinem Leben als Gustav, der Wintergarten befinden würde. 1968 hatte die Oma es nicht mehr ausgehalten und hatte den eingefrorenen Gustav im Eisblock genau unter die imaginierte Eiche gesetzt, natürlich zufällig, sie wusste nichts von Gustavs Ideen aus einem früheren Leben. Der Eisblock war geschmolzen und Gustav mit. In der Hosentasche hatte er noch eine Eichel und so kam es, dass genau an dieser Stelle eine knorrige Eiche wuchs. Sie hat die Klamotten an, die Opa Gustav trug als er starb. Oma Elfriede war sehr überrascht über den Baum und freute sich.

Die Eiche ist zudem ein Denkerbaum, von ihm fallen manchmal Ideen runter.

Unter Die Idee diesem Baum also sitzt Adolf Globus. Er ist Schriftsteller und denkt nach. Da fällt ihm eine Idee für ein nächstes Buch auf den Kopf. Es ist ein Reim: "Ich sitze neben meiner Teelampe und rieche Omas Milchreispampe." Das neue Buch soll von seinen Leiden an Oma Elfriedes Kochkünsten handeln. Die Oma kann nicht besonders gut kochen, ihr fällt dauernd was ins Essen, sie kann außerdem nicht gut gucken und nimmt meist viel zu viel Salz. Manchmal fallen sogar Tropfen von ihrer Nase ins Essen. (Ab und zu trägt sie auch einen Tropfenfänger.) Dass seine Oma gerade Milchreis kocht mit Chilisauce Oma: »Hülfe!« und Zimt, in den ihr gerade die Brille und das Gebiss gefallen sind, kann er riechen. Außerdem hört er sie jedesmal, wenn was reinfällt, »Hülfe« sagen. Adolf Globus steht auf und verlässt den Wintergarten Richtung Süden.

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Hunger am Nordpol

Zweiter Akt

Draußen tobt ein lokaler Schneesturm. Adolf hat Hunger und geht los zum 5 km entfernten nächsten Nachbarn – mal was Anständiges essen. Er geht dort häufiger hin. Vor 35 Jahren war er schon mal geboren worden (das hat er von Opa Gustav), ebenfalls hier am Nordpol. Auch im früheren Leben war er bestimmt schon häufiger bei den Nachbarn zum Essen. Mit 15 Jahren war er in diesem früheren Leben jedenfalls an einer Milchreis-Vergiftung gestorben. Aktuell ist er auf dem Weg zu einer scheunenhohen Forschungsstation mit zwei Wohnungen nebeneinander. In der Station arbeiten zwei Frauen, Uschi (34) und Lore (43), und erforschen die Erderwärmung. Sie leben dort in der einen Wohnung mit ihren zwei adoptierten Söhnen Herbert (15) und Joris (10). In der anderen Wohnung wohnt ihr Hund Waldi, ein weißer Bobtail, der viel Platz benötigt. Das Besondere an dem Hund: Wenn er auf zwei Pfoten steht, ist er zwei Meter groß, wenn er auf allen Vieren läuft, ist er nur etwa 30 cm lang.

Als Adolf Globus ankommt, öffnet der Hund bereits die Tür zur Hundewohnung. Er steht auf zwei Pfoten, ist also gerade sehr groß. Waldi hatte Adolf schon von weither riechen können. Adolf sagt: »Hallo, ich wollte in die andere Wohnung«. Dort sind auch schon die anderen herausgetreten und die Jungs begrüßen ihn. Auch die Familie konnte ihn schon riechen – Adolf Globus hat Mundgeruch. Weil Adolf sich abwendet, ist Waldi beleidigt, lässt sich auf seine vier Pfoten runter und wird noch kleiner als gewöhnlich, wechselt seine Farbe zu bunt und furzt. Adolf wird schlecht. Er sagt »Ich muss los« und geht.

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Hunger am Nordpol

Dritter Akt

Adolf Globus will zum nächsten Nachbarn, dem Pizzabäcker Giovanni, nur 500 m entfernt. Giovanni, 66 Jahre alt, arbeitet unterirdisch mit einem Eisofen, den er selbst gebaut hat. Adolf hatte die Eröffnungsanzeige gelesen, Giovanni ist erst seit 2 Monaten hier. Aber er ist bereits berühmt-berüchtigt für seine Nudel-Pizza. Giovanni backt in einem Schuhkarton. Adolfs Magen knurrt mächtig, das Geräusch hört Giovanni und er schiebt schon mal eine Pizza rein, eine doppelte Nudelpizza. Adolf sucht den Eingang. Er sieht Rauch, der durch den Boden diffundiert, der Boden ist nur teilweise mit Schnee bedeckt. Adolf klopft in der Nähe des Rauchs den Boden ab. Der Eingang ist winzig. Giovanni ist nämlich eine Schnecke und er befindet sich samt Ofen in dem Schuhkarton unter der Erde. Jetzt schaut Giovanni raus und so findet Adolf den Eingang und geht rein.

Dazu muss man wissen, dass Adolf genau wie seine Großeltern der Menschenart der sogenannten Zwergriesen angehören. Sein Opa Gustav war einen Meter groß, seine Oma Elfriede misst 50 cm, er selbst 70 cm. Das ist immer noch zu groß, um durch den Eingang zu passen. Zum Glück trägt Adolf immer ein Hörgerät im Ohr. Um genauer zu sein, es ist ein Hörrohr, das aber gar nicht zum Hören benutzt wird. Es ist nur für eines da: Wenn Adolf es rausnimmt, schrumpft er. Und das tut er nun und schrumpft auf drei Zentimeter. So geht Adolf nun in den unterirdischen Schuhkarton, isst seine Pizza und unterhält sich mit Giovanni. Die Pizza, die für uns etwa so groß ist wie ein Zwei-Euro-Stück, ist für Adolf allerdings unfassbar viel. Und dann rutscht er auch noch auf Schneckenschleim aus, macht ein Bäuerchen und furzt. Da schmeißt ihn Giovanni raus, durch einen Tritt mit dem Schneckenhaus in Adolfs Hintern. Adolf landet in einer Schneewehe. Sein Hörrohr ist dort auch irgendwo.

Währenddessen versucht Oma Elfriede, den Ofen auszuschalten, und schreibt ihr Buch "Meine Rezepte" fertig.

Der immer noch dreizentimetergroße Adolf schaltet nun seinen Elektromagneten ein, den er immer dabei hat. Und tatsächlich wird sein Hörrohr angezogen, doch bevor er es benutzen kann, werden auch noch andere Dinge angezogen: der Ofen und Giovannis Haus. Adolf wird von dem Schneckenhaus zerquetscht, nicht nur sein Fuß, in Wahrheit komplett. Aber er ist nicht tot. Er reinkarniert: Er startet direkt in sein neues Leben. In Madagaskar. Was dort passiert, steht aber in einer anderen Geschichte.

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Wimmelbild

Bild: Ines Glawe

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Alternative Titel

  • Denn sie wissen nicht, wo sie sind
  • Das andere Portugal
  • Hunger am Nordpol
  • Wegen Omas Kochkünsten
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Themen der Geschichte

Essen, (schlechte) Gerüche, Ideen, (queere) Familien, Freundschaft, Zahnersatz, Hörgeräte, Wunder, Vielfalt, Zauberei, Glaube, Phantasie, Komik, Wetter, kompakte Wintergärten, Größe ist relativ.

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