Albtraum Alfeld

Erfunden auf dem Hof der Diakonie in Alfeld am 09.08.2021

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Albtraum Alfeld

Erster Akt

Tim-Frank Schulze ist 17 Jahre und 9 Monate alt. Das ist ihm wichtig, weil er in drei Monaten 18 wird. Er will Bundeskanzler werden. Es ist 3:00 Uhr in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Frühling 2021 in der St. Elisabeth Kirche in Alfeld. Dem Alfeld, das wir kennen.

Tim-Frank befindet sich vor dem Altar und betet, auf einem Bein hüpfend. Er war durch das offene Fenster reingeklettert. Im Beichtstuhl in der Nähe ist ein Schaf. Den Beichtstuhl hat Tim-Frank selbst gebaut und samt Schaf mitgebracht. Die St. Elisabeth-Kirche ist evangelisch, da gibt es keine Beichtstühle, aber Tim-Frank ist ein echter Katholik. Und er wollte mal was ganz Verrücktes machen. Außerdem hat er Liebeskummer und braucht eine gute Schlagzeile, weil er ja Bundeskanzler werden will.

Das Schaf gehört Tim-Frank nicht. Er hat es von der Weide geholt und mitgenommen. Es ist ein kleines schwarzes Babyschaf. Es gehört dem 80-jährigen Bauern Paul Schlimme. Es war dessen einziges Schaf, es graste auf einer sehr kleinen Weide. Tim-Frank ist verliebt in das Schaf und wollte es sich nur ausleihen.

Liebeskummer hat er nun deswegen, weil seine Freundin, die 60-jährige Tochter vom Bauern Paul, ihn verlassen hat. Es war eine Nutzliebe. Sie konnte sein Lieblingsessen kochen, Lamm-Kotelett. Sie wollte das schwarze Lamm schlachten. Tim-Frank aber ist ja in das Schaf verliebt (das Schaf aber nicht in ihn). Die Tochter vom Bauern war eifersüchtig.

Während Tim-Frank betet und auf eiem Bein hüft, dreht sich das große Kruzifix vor ihm auf den Kopf und es geschieht ein Wunder: das Schaf spricht und wird zu einem wahren Pfarrer. Es bekommt einen Pfarrer-Kragen (Bäffchen) und verwandelt sich in einen Menschen. Er spricht nur Latein und sagt: »Ave«.

Nun hat Tim-Frank doppelt Liebeskummer, da sich das Schaf verwandelt hat. Weiter bemüht um Aufmerksamkeit, läutet er die Glocken. Der Pfarrer macht sich auf die Suche nach einer Bibel: er kriecht auf allen Vieren hinter dem Beichtstuhl und zwischen den Bänken. Er hat eine Textstelle vergessen; die vom Untergang der Welt.

Das Kruzifix beginnt zu glühen. Die Bevölkerung, jedenfalls diejenigen, die schlecht schlafen können, werden vom Glockenleuten wach und eilen zur Kirche. Es sind 74 Menschen. Unter ihnen ist der Küster, der schließt auf. Sie reißen die Tür auf und stürmen herein, stolpern über den auf allen Vieren kriechenden Pfarrer.

Das glühende Kruzifix flüchtet. Wie ein Blitz: es fegt durch das große Tor raus aus der Kirche. Bloß weg und zum Friedhof. Eine Bibel hat der Pfarrer noch nicht gefunden.

Tim-Frank bemerkt die 74 Bürgerinnen und Bürger und erwacht aus seinem Albtraum.

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Albtraum Alfeld

Zweiter Akt

Es ist drei Uhr mittags. Er ist in der Kirche, am selben Mittwoch, nachmittags. Er ist immer noch 17 Jahre und 9 Monate alt. Er möchte in Wahrheit Bürgermeister werden. Seine Freundin, das kleine Schaf, ist bei ihm. Es ist aber weiß und gar nicht schwarz. Tim-Frank ist in der Kirche, um das Schaf segnen lassen, um zu zeigen, dass er ein guter Christ ist. Es ist aber niemand da. Der Pfarrer hat sich verspätet. Tim-Frank merkt, dass das eine blöde Idee war. Es sähe im Lebenslauf schlecht aus, wenn man Bürgermeister werden will und ein Schaf segnen lässt. Und so verlässt er mit dem Schaf die Kirche.

Da zieht ein Gewitter auf und Gott spricht zu ihm: »Gib mir das Schaf!« Tim-Frank antwortet: »Nein. Das ist ein Lamm«, und dreht sich um zur Kirche. Der Wind hat aber die Tür zugeschlagen und der Schlüssel steckt von innen. Tim-Frank schaut, ob das Fenster offen steht. "Gott sei Dank nicht" – erinnert sich Tim-Frank an seinen Albtraum. Er klopft an die Tür. Gott lacht, das Schaf blökt, das Kreuz kommt wieder zurück: Das bedeutet, dass vor der Kirche aus dem Nichts ein Beichtstuhl erscheint und daraus das Kreuz hervorkommt.

Tim-Frank erwacht aus seinem Albtraum.

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Albtraum Alfeld

Dritter Akt

Tim-Frank ist fünf Jahre alt und erwacht zu Hause in der Ferienwohnung in Mailand, neben der Waschmaschine. Er war von der sich drehenden Trommel hypnotisiert worden, drinnen ist sein lila Plüsch-Schaf. Seine Oma Elfriede-Elisabeth Schulze geborene Schlimme ist bei ihm. Sie ist 90 Jahre alt und sitzt auf der Waschmaschine. Sie kommen aus Alfeld und machen dort in Mailand Ferien. Der Waschgang ist beendet.

Das Schaf in der Maschine blökt. Das heißt für Tim-Frank »Ich will raus«. Das ist ganz normal: es ist ein batteriebetriebenes Schaf, das unter 10 Umdrehungen beim Umdrehen blökt.

Tim-Frank schubst seine Oma von der Waschmaschine: er zieht sie am Fuß und sie schlägt mit dem Kopf auf dem Waschbecken auf. Das kriegt Tim-Frank gar nicht recht mit. Die Oma blökt, rennt raus auf die Wiese im Vorgarten und beginnt zu grasen. Es ist eine kleine Wiese auf dem Vordach des etwas kleineren Nachbarhauses. Die Ferienwohnung selbst ist in einem Hochhaus. Es sieht fürchterlich aus, wie die Oma so grast: sie fährt mit dem Kopf über die Wiese und bewegt sich im Vierfüßlerstand. Tim-Frank hört sie durchs Fenster blöken, von drinnen blökt das Schaf aus der Maschine. Er sagt: »Oma, mach die Waschmaschine auf«. Oma kommt nicht. Es blökt.

Da erscheint das glühende Kreuz am Himmel, von dem er geträumt hatte. Aus Griechenland kommt eine große Hitze und was er sieht ist eine Fata Morgana. Der kleine Tim-Frank Schulze fällt in Ohnmacht, gegen die automatische Türöffung, und in die riesige Industrie-Waschmaschine (Top-Lader) hinein.

Die Oma erwacht aus ihrer Schockstarre und rennt zur Waschmaschine und guckt, wer da drin ist. Sie sieht nur das Schaf. Sie klettert in die Maschine, um das Schaf herauszuholen und zu schauen, ob der Junge darin ist. Sie findet den Jungen und ruft: »Jetzt reicht's!« Er ist schon häufiger in die Maschine gefallen. Sie holt den Jungen und das Schaf heraus. Er kriegt nichts mit, er ist noch ohnmächtig.

Die Oma kotzt Gras auf den Jungen. Da wird er wieder wach und sagt: »Es reicht!« Das hat die Oma nämlich auch schon öfter gemacht. Die Oma sagt: »Mal gut, dass wir einen großen Top-Lader haben«. Sie zieht den Jungen aus und packt die Sachen in die Waschmaschine. Auch das lila Kuschelschaf muss neu gewaschen werden, das hat die Oma mit erwischt.

Die Oma steigt mit in den Top-Lader, aber oben schaut der Kopf noch heraus. Sie startet die Waschmaschine. Es geht aber nicht los, weil der Sicherheitsmechanismus bei offener Tür blockiert. Sie holt die Bedienungsanleitung und eine Säge. Tim-Frank steht nackt vor der Maschine und friert. Die Oma zersägt einen Wahl-Reklame-Aufsteller. Den hat sie immer dabei, sie ist immer noch politisch aktiv und möchte Bundeskanzlerin werden. Sie ist sehr selbstverliebt und schläft nachts immer mit dem Wahl-Aufsteller. Ihren Traum gibt sie aber jetzt auf. Der Enkel friert und sie möchte ein Feuer machen. Sie holt das glühende Kreuz vom Himmel und zündet damit den zersägten Wahl-Aufsteller an. Nicht in der Wohnung, sondern auf der Wiese, wo sie vorher gegrast hatte. Tim-Frank geht mit raus, er friert ja, und will sich am Feuer wärmen.

Ein Auto fährt vor, seine Eltern kommen. Sie schließen die Waschmaschine ab, weil der Sohn schon so oft reingefallen ist, die Oma sich schon oft den Kopf angeschlagen hat und zum Schaf wurde. Der Junge spricht oft im Traum, deshalb wissen die Eltern das. Und so machen sie dem ganzen Spuk ein Ende.

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Wimmelbild

Bild: Ines Glawe

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Alternative Titel

  • Alfeld
  • Der Alfelder Albtraum
  • Albtraum Alfeld in Mailand
  • Wischi-Waschi
  • Blök Kotz
  • Albträume in Mailand
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Themen der Geschichte

Landwirtschaft, Alfeld, Kirche, Politik, Urlaub, Zukunfsplan, Familie, Träumereien, Absurditäten, berufliche Orientierung, Verdauung, Kreuze, Sprechende Tiere.

Ist es eine Fabel?

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